Am 17.6.2023 haben wir (Doris Braune und Gerhard Scharf) vom Bellis-Verlag ein Verlagsfest in den Räumen des Feministischen Frauen*gesundheitszentrum in der Kernerstrasse 31 gefeiert, dem Ort, in dem in den 70iger Jahren die neu sich formierende Stuttgarter Frauenbewegung ihr erstes Zuhause fand.

Wir haben es genossen, die beeindruckenden 3 D- Bilder der Künstlerin Patricia Elaine Oakley betrachten zu können, uns zwischendurch im gemütlichen Innenhof in spannende Gespräche vertiefen zu können.

Ein weiteres Highlight war die Lesung von Michael Rössler aus seinem neu im Bellis-Verlag erschienen Romans: „Kains Aufzeichnungen.“

Roman von Michael Rössler: „Martin Berger fühlt sich schuldig am Tod seines Bruders Reinhard und identifiziert sich mit Kain, dem Brudermörder, und nennt seinen begonnenen Text „Kains Aufzeichnungen“. Er kreist um die Frage der Schuld an Reinhards Suizid, aber auch um die Schuld am Holocaust…(…) Vom Deutschen Herbst 1977 schlägt er den Bogen bis zur Wiedervereinigung 1989. Er verstrickt sich mehr und mehr in Schuldgefühle und verzweifelt an der Vergangenheit.
Nach der berührenden Lesung einzelner Passagen seines Romans entstand eine sehr persönliche und tiefgreifende Debatte unter uns Zuhörer*innen. Was für einen Einfluss auf die eigene Persönlichkeit, auf uns als Individuum hat eine Kindheit bei traumatisierten Eltern? Was macht das mit uns, wenn die Eltern und das gesamte gesellschaftliche Umfeld eine so bösartige menschenfeindliche Politik wie die des NS Regimes erlebt hatten, zumeist als schweigende Mehrheit, manche als Mittäter*innen oder auch als Opfer? Die Passagen, die Michael las, gingen uns alle sehr unter die Haut und wir waren ganz schnell dabei, unter diesen Gesichtspunkten auch unsere Rolle zu reflektieren, die wir heute einnehmen angesichts einer unmenschlichen Abschottungspolitik Europas und damit der „Mitschuld“ am tausendfachen Sterben im Mittelmeer.

Auch die zweite Neuerscheinung des Bellis-Verlags berührt das Thema des Verbunden Seins oder auch Nicht-Verbunden Seins mit beispielsweise Menschen des Globalen Südens. Gerade in dem Kontext der Gesundheitsfürsorge und der Geburtshilfe wird unsere meist sehr eurozentristische Weltsicht sehr deutlich. Richtige Medizin ist nur das an unseren Universitäten gelehrte Medizinkonzept. Die Traditionelle Geburtshilfe der indigenen Hebammen aus dem Hochland von Chiapas und auch die medizinische Versorgung durch die „Curanderos und Curanderas“ (Heiler und Heilerinnen der Maya) wird meist sehr von oben herab betrachtet und abgewertet. Um ihr großes Wissen, ihre Weisheit wertzuschätzen, hat der Bellis-Verlag mithilfe vieler engagierter Menschen ein Buch herausgebracht, in dem acht Broschüren der indigenen Organisation OMIECH aus Chiapas/ Mexiko übersetzt wurden.


Übersetzte Broschüren indigener Hebammen und Heiler*innen aus Chiapas zu Frauenheilkunde und Geburtshilfe: Die kapitalistische Logik des immerwährenden Wachstums ist in der Sicht der indigenen Völker eine kranke und zerstörerische Weltsicht. Weil die kapitalistische (und die Unbewohnbarkeit unseres Planeten auf die Tagesordnung setzt, müssten wir mehr denn je verstehen, dass diese Erde uns allen gehört und alle Stimmen gehört und respektiert werden müssen. Mit diesen übersetzten Publikationen von OMIECH möchten wir zu einem wertschätzenden Austausch beitragen.

 

Für alle, die einige der Protagonistinnen des Buches kennenlernen wollen, können wir auf die Veranstaltungsreise der Maya-Hebammen Mitte September dieses Jahrs in Süddeutschland, der Schweiz und Südfrankreich verweisen.

Es wäre schön, Euch bei diesen Veranstaltungen zu treffen.